Am Anfang war Gott MUTTER

Text: Dr. Kirsten Armbruster

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Vulva-Ritzzeichnungen bei Les Eyzies-de-Tayac, Frankreich

Vulva-Ritzzeichnungen bei Les Eyzies-de-Tayac, Paläolithikum, Dordogne, Frankreich, Fotos: Franz Armbruster: Museum Les -Eyzies -de -Tayac

Am Anfang des menschlichen Bewusstseins war Gott  MUTTER. Sie war das allumfassende göttliche Verständnis der Steinzeit, die göttliche Mutter des Paläolithikums und des Neolithikums bis zur Herdentierzucht. Sie war Mutter Erde, aber auch der Kosmos. Frau Sonne und Frau Mond spiegelten ihr göttliches Sein. Das Männliche, das Weibliche, das Intersexuelle und das Transsexuelle wurden von ihr geboren, und, wenn es verstarb, kehrte es zu ihr zurück, um von Neuem wiedergeboren zu werden, so wie die Sonne jeden Abend im Westen im Leib der Erdmutter verschwand, um am Morgen im Osten wiedergeboren zu werden. Gott MUTTER war die Allmutter, die Große aseitätische Jungfrau, die Almudena, die Panagia, die Dea Mater, die Pachamama. Und diese Gott  MUTTER steht für den Anfang von Religion. Die Menschen lebten aus diesem Verständnis des Lebens heraus matrifokal, d.h. die Mütter standen im Focus, im Zentrum der Gemeinschaft.

Mit dem Beginn des Metallzeitalters, in der Kupfersteinzeit, dem Chalkolithikum, ab dem  5. Jahrtausend, können wir mit den Migrationen der Rinderbauern aus Anatolien archäologisch diesbezüglich eine erste Veränderung feststellen. Erste Spuren von Gruppengewalt und erste patriarchale hierarchische Gesellschaftsstrukturen werden mit dem ersten Auftauchen von männlichen Herrschergräbern sichtbar. Ökonomisch werden die Frauen nach ihrer zentralen Bedeutung erst als Sammlerinnen und ab dem Neolithikum auch als Pflanzerinnen, im Zuge der fortschreitenden Rinderdomestikation und schließlich der Pferdedomestikation und dem Beginn des Pflugackerbaus aus ihrer matrilinear-frauenkollektiven ökonomischen Unabhängigkeit zunehmend hinausgedrängt.

In der Bronzezeit ab circa 3300 v.u.Z. im Vorderen Orient und im 2. Jahrtausend in Mittel- und Nordeuropa verschärft sich die patriarchale Überformung. Das patriarchale Kriegszeitalter beginnt. Mit dem Auftauchen von Streitwagenkriegern kommt es erstmals zu Reichsgründungen durch kriegerische Eroberung. Gott die MUTTER, die Alles-Gebärerin der Steinzeit, wird in viele Göttinnen zerstückelt und die Idee des Heros, die im Zuge der Installation der sogenannten „Heiligen Hochzeit“ gesellschaftlich implementiert wird,  ist der heldische Mann, der mit seinem Blut die Welt retten soll.

Ein männlicher Blutopferkult beginnt, der sich in zwei Ausprägungen zeigt: als Krieger oder als Blutopfer auf dem Altar einer politischen Theologie, die über die Zwischenstufen erster männlicher Vegetationsgötter, einer männlichen Vergöttlichung der Sonne, wie beim ägyptischen Gott Aton, über von Männern geleiteter Götterpantheons, wie dem keltischen Dis Pater, dem griechischen Zeus, dem römischen Jupiter, dem germanischen Wotan oder Odin, schließlich das Ziel hat, einen monotheistischen Vater-Gott gesellschaftlich zu implementieren, dessen vorläufig letztes theologisches Opfer der christliche Jesus darstellt.

Der Vater drängt sich in den Vordergrund. Matrifokalität wird zunehmend durch Patrilokalität ersetzt, die sogenannte Heilige Hochzeit ist die Vorform der patriarchalen monogamen Ehe, die das Ziel hat die freie Sexualität der Frauen, die sogenannte female choice zu beenden, um männliche Herrschaft durchzusetzen und Vaterschaft bestmöglich abzusichern. Die Mutter, die im matrifokalen Lebenskontext in ein matrilineares AhnInnenkollektiv eingebettet war, wird in einer bluts- und nabelfremden Verwandtschaftslinie isoliert und ökonomisch abhängig gemacht.

Die Religion von Gott  MUTTER wird von den Vatergöttern erst zerschlagen und schließlich historisch unterschlagen. Über die Zwischenstufe der Idee der Göttin, deren Abstammung plötzlich von einem männlichen Gott abgeleitet wird, wie bei der von Göttervater Zeus kopfgeborenen Athene, die zudem als Kriegsgöttin missbraucht wird, wird der MUTTER die Göttlichkeit schließlich ganz abgesprochen. Helfershelfer für diesen göttlichen Muttermord sind die in vielen Kulturen verbreiteten Drachentöter, wie der babylonische Gott Marduk, der griechische Gott Apollon oder auch der christliche Michael, Georg oder Patrick. Die Drachenschlange, die sie töten, steht für das Töten von Gott MUTTER und das Vergessenmachen der Matrifokalität, die ihre Verwandtschafts- und AhnInnenlinie auf der roten Mutternabelschnur begründet, die durch das Patriarchat durch eine väterliche Abstammung ersetzt werden soll und damit zerschlagen werden musste.

Im Patriarchat ist die Mutter nur noch die Dienerin des HERRN, die seine HERRlichkeit vervollkommnet. Der Feminismus, auch der leider in vielen Irrtümern gefangene Matriarchatsfeminismus, hat an diesem patriarchalen Status Quo bisher praktisch nichts verändert, denn die Mutter ist anscheinend mit ihrer dem Patriarchat dienenden Muttertumsüberformung, wie wir sie zum Beispiel im Nationalsozialismus finden, so traumatisch besetzt, dass kaum eine es wagt in matrifokal verwurzelten Gemeinschaftsstrukturen zu denken und Gott MUTTER wieder bei ihrem Namen zu nennen. Fangen wir heute damit an!

Literatur:

Armbruster, Kirsten: Gott die MUTTER: Eine Streitschrift wider den patriarchalen Monotheismus, 2013

Armbruster, Kirsten: Der Jacobsweg – Kriegspfad eines Maurentöters oder Muschelweg durch Mutterland? Die Wiederentdeckung der Wurzeln Europas, 2013

Armbruster, Kirsten: Der Muschelweg – Auf den Spuren von Gott MUTTER – Die Wiederentdeckung der matrifokalen Wurzeln Europas, 2014

Armbruster, Kirsten: Matrifokalität – Mütter im Zentrum; Ein Plädoyer für die Natur; Weckruf für Zukunft, 2014

Bott, Gerhard: Die Erfindung der Götter; Essays zur Politischen Theologie, 2009

Bott, Gerhard: Die Erfindung der Götter, Band 2: 2014

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An english translation of this text, translated by Deep L:

In the beginning God was God MOTHER

Vulva-Ritzzeichnungen bei Les Eyzies-de-Tayac, Frankreich

Vulva carvings at Les Eyzies-de-Tayac, Palaeolithic, Dordogne, France, photos: Franz Armbruster: museum Les -Eyzies -de -Tayac

At the beginning of human consciousness God was God MOTHER. She was the all-embracing divine understanding of the Stone Age, the divine mother of the Palaeolithic and the Neolithic up to herd animal breeding. She was Mother Earth, but also the Cosmos. Woman sun and woman moon reflected their divine being. The masculine, the feminine, the intersexual and the transsexual were born of her, and when she died, she returned to her to be reborn, just as the sun disappeared every evening in the west in the womb of the earth mother, to be reborn in the morning in the east. God MOTHER was the All Mother, the Great Asean Virgin, the Almudena, the Panagia, the Dea Mater, the Pachamama. And this God MOTHER stands for the beginning of religion. The people lived matrifocally out of this understanding of life, i.e. the mothers were in the focus, in the centre of the community.

With the beginning of the Metal Age, in the Copper Stone Age, the Chalcolithic period, from the 5th millennium onwards, we can observe a first archaeological change in this respect with the migrations of cattle farmers from Anatolia. First traces of group violence and first patriarchal hierarchical social structures become visible with the first appearance of male graves of rulers. Economically, women are increasingly pushed out of their matrilinear women’s collective economic independence according to their central importance as collectors and, from the Neolithic onwards, also as planters, in the course of the progressing domestication of cattle and, finally, domestication of horses and the beginning of ploughing.

In the Bronze Age from about 3300 BC in the Near East and in the 2nd millennium in Central and Northern Europe the patriarchal transformation intensified. The patriarchal war era begins. With the emergence of chariot warriors, the first empire was founded through warlike conquest. God the MOTHER, the all-parent of the Stone Age, is dismembered into many goddesses and the idea of the hero, which is socially implemented in the course of the installation of the so-called „Holy Wedding„, is the heroic man who is to save the world with his blood.

A male blood sacrifice cult begins, which manifests itself in two manifestations: as warriors or as blood sacrifices on the altar of a political theology which, via the intermediate stages of first male vegetation gods, a male deification of the sun, as with the Egyptian god Aton, via god pantheons led by men, as with the Celtic Dis Pater, the Greek Zeus, the Roman Jupiter, the Germanic Wotan or Odin, finally has the goal of socially implementing a monotheistic father-god, whose for the time being last theological sacrifice is the Christian Jesus.

The father pushes himself into the foreground. Matrifocality is increasingly being replaced by patrilocality, the so-called Holy Wedding is the prelude to patriarchal monogamous marriage, which aims to end women’s free sexuality, the so-called female choice, in order to assert male domination and secure paternity in the best possible way. The mother, who was embedded in a matrilineal ancestral collective in the matrifocal context of life, is isolated in a line of kinship alien to blood and navel and made economically dependent.

The religion of God MOTHER is first smashed by the Father Gods and finally historically embezzled. Through the intermediate stage of the idea of the goddess, whose descent is suddenly derived from a male god, as in the case of Athena, who was born the head of godfather Zeus and who is also abused as a goddess of war, the MOTHER is finally completely denied divinity. Helpers for this divine matricide are the dragon killers who are widespread in many cultures, such as the Babylonian god Marduk, the Greek god Apollon or the Christian Michael, George or Patrick. The dragon snake that they kill stands for the killing of God MOTHER and the forgetting of the matrifocality, which bases its line of relationship and ancestry on the red umbilical cord, which is to be replaced by a patriarchal descent and thus had to be smashed by the patriarchy.

In the Patriarchate, the Mother is only the servant of the Lord, who perfects His glory. Feminism, also matriarchal feminism, unfortunately caught in many errors, has so far changed practically nothing about this patriarchal status quo, because the mother is apparently so traumatically occupied with her motherhood transformation serving patriarchy, as we find her for example in National Socialism, that hardly anyone dares to think in matrifocally rooted community structures and to call God MOTHER by her name again. Let’s start today!

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