Anne Spiegel – mutterseelenallein: Die skandalöse Tragik von Müttern im Patriarchat!

Ein erschütterndes Bild die öffentliche und offen gezeigte Verzweiflung von Anne Spiegel, Familienministerin mit vier kleinen Kindern, die angetreten war, um die Situation von Familien, die Situation von Müttern, die Situation von Kindern in Deutschland kraft ihres Amtes zu verändern.

Die Twitterkommentare, die meisten Kommentare der Presse, insbesondere männlicher Kommentatoren entlarvend vernichtend. Weg damit aus der Öffentlichkeit, dem Raum der Politeia, dem gerade auch in der Demokratie seit der Antike von Männern definierten Raum, von Männern definiert, die natürlich trotz Familie immer den Rücken frei hatten, frei gehalten von Frauen, von Müttern, abgeschoben in den unsichtbaren Raum des Privaten, dem als unwichtig definierten Raum, tatsächlich aber der Raum des Raubes. Nicht zufällig stammt das Wort privat von dem lateinischen Wort privare und das bedeutet nichts anderes als rauben.

In Wahrheit zeigte das Bild des Jammers, das Anne Spiegel den Mut hatte in der Öffentlichkeit zu zeigen aber die Realität sehr vieler Mütter nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, insbesondere in Zeiten von Corona, wo zusätzlich zur Berufstätigkeit und dem schon in normalen Zeiten zerreißenden Familienmanagement weitere Betreuungs- und Bildungsarbeiten auf Familien abgewälzt wurden und zwar insbesondere auf Mütter, aber das wollen wir nicht wissen, nicht sehen, nicht hören.

Einhellige Rücktrittsforderung, wenn öffentlich sichtbar wird, dass das Kleinfamilienmodell unserer Gesellschaft nicht gut funktioniert und zwar nicht als Einzelfall, sondern gesamtgesellschaftlich. Rücktrittsforderung, wenn eine in der Öffentlichkeit sagen muss, dass sie in „Urlaub“ geht. Urlaub? Welcher Urlaub mit vier kleinen Kindern?

Wäre unsere Gesellschaft wirklich patriarchatsaufgeklärt und modern, dann wäre Anne Spiegel nicht gezwungen gewesen sich in einem Lügengeflecht zu verirren.

Dann hätte sie offen kommunizieren können, dass ihre Familie durch Corona in eine Notsituation gekommen ist – wie so viele Familien weltweit.

Dann hätte sie nicht von Urlaub sprechen müssen, sondern hätte von dringend zu vollbringender Carearbeit sprechen können, Carearbeit, die in unserer Gesellschaft systemimmanent unsichtbar gemacht worden ist, Carearbeit, die nicht nur gesellschaftsbildend ist, sondern die Hauptvoraussetzung für Gesellschaft, denn, wenn Mütter keine Kinder gebären würden, hätten wir weder Arbeiterinnen* noch Kundinnen*, unser Wirtschaftssystem wäre damit obsolet. Und nicht nur das, sondern es gäbe schlichtweg kein Menschen-Leben.

Dann hätte Anne Spiegel auch viel leichter um Hilfe bitten können, entweder direkt für die Familie oder aber als beruflich-politische Teamentlastung in der alle erschütternden und überfordernden Ausnahmesituation im Ahrtal, infolgedessen merkwürdigerweise nur zwei Frauen zurücktreten müssen, was doch sehr zu denken gibt. Aber patriarchatsimmanent haben wir ja nun zum Glück zwei Sündenziegen gefunden, die für das gesamtgesellschaftliche Versagen an den öffentlichen Pranger, den Pranger der männerdefinierten und -dominierten Politeia gestellt werden und basta! Alles wie gehabt! Wie geht noch mal die biblische Schöpfungsgeschichte eines Vater-Gottes, der Eva und damit alle Frauen definitorisch zur Sündenziege erklärt hat???

Dabei brauchen wir dringend mehr Frauen und insbesondere mehr Mütter in der Politik, damit die unmenschliche Fassade unserer Gesellschaft öffentlich wird. Wir brauchen nicht nur eine feministische Außenpolitik, sondern ebenso eine feministische Innenpolitik und genau brauchen wir eine Politik, die nicht vom Vater her denkt, wie das Patriarchat, sondern von den Müttern, die nun mal, wie bei allen Mammalia-Arten Ausgangspunkt menschlichen Lebens sind.

Danke Anne Spiegel, dass du wenigstens versucht hast, den öffentlichen Raum menschlicher zu machen.

Der Ukrainekrieg – ein Kreuzzug der russischen Orthodoxie ?

Der sogenannte Sonnentempel auf der Insel Krim, eine Felskreislandschaft in der Ilyas-Kaya; Foto: Elena Stadler auf der Website http://www.naturwissen.com nach Boris Bojtschenko frei zur privaten Verwendung

Der Ukrainekrieg, der uns dieser Tage so beschäftigt, begann eigentlich schon 2014, mit der russischen Besetzung der Krim. Und, um den jetzigen Krieg besser zu verstehen, lohnt es sich, sich noch einmal näher mit dem putinschen Blick auf die im Schwarzen Meer gelegene Halbinsel Krim zu beschäftigen.

Aus der IPKF, der Interdisziplinären Patriarchatskritikforschung wissen wir, dass die enge Verknüpfung von Politik und Theologie in Verbindung mit dem Mittel des Krieges das Hauptdreibein des Patriarchats ist. Wohlgemerkt von Theologie, nicht von Religion im ursprünglichen Sinn eines mütterlichen Gottesbildes, das im natürlichen Kreislauf des Lebens und Sterbens verankert ist, sondern von Theologien, die immer auf einem männlichen Gottesbild fußen und auf einem Kriegsgewaltmonopol des Sterbens, diktiert von einem Herrscher und völlig losgelöst von dem Kreis des Lebendigen. Wo aber ist der theologische Aspekt des heutigen Krieges? Schauen wir dazu noch einmal genau auf die Krim.

Die Krim hat bis heute landschaftsmythologisch unter anderem in einem Felsenkreis die einstige Heiligkeit der Landschaft bewahrt, die Heiligkeit von Mutter Erde, Frau Mond und Frau Sonne, der ursprünglichen Religion der kosmischen göttlichen Mutter, die wir in Europa von den westlichsten Gegenden in Spanien und Frankreich bis zu den östlichen sibirischen Gebieten Europas wieder aus den patriarchalen Überformungen befreit haben. (Armbruster, Kirsten: Patriarchatskritik, 2021 siehe Gott MUTTER Figurinen im Paläolithikum und im Neolithikum S. 436-518). Und so, wie wir in Westeuropa vor allem am weit verzweigten Jacobsweg die christlichen Überlagerungen der urspünglichen Religion, dort in katholischer Prägung, abräumen können (siehe: Armbruster, Kirsten: Der Jacobsweg und der Muschelweg, 2013 und 2014), so finden wir diese christlichen Überlagerungen auch auf der Insel Krim, hier im Gewand der russisch-orthodoxen Ausrichtung

Die Neue Züricher Zeitung schreibt 2016 zum Anspruch Russlands auf die Krim unter der Überschrift: „Die Krim wird zur „heiligen Erde“ stilisiert“:

„Um den Machtanspruch Russlands auf die Krim zu stützen, schrecken linientreue „Historiker“ vor wilden Geschichtsspekulationen nicht zurück. Ziel ist eine Umschreibung der abendländischen Chronologie“ (NZZ, Ingold, Felix, Philipp: 30.11.2016)

Bezug genommen wird dabei u.a. auf einen Schrein im Uspenski-Felsenkloster auf der Halbinsel Krim, wo angeblich im 12. Jahrhundert die Gottesmutter Maria gelebt haben soll.

Felshöhlen des Uspenski-Klosters; CCBY-SA3.0; GNU Free License

In einer programmatischen Rede zur Lage der Nation rechtfertigt Putin die Annektion der Krim damit,

dass die Halbinsel im Schwarzen Meer für Russland so heilig sei, wie der Tempelberg für jene, die sich zum Judentum oder zum Islam bekennen“. (NZZ, 2016, ebenda).

Der theologische Anspruch Russlands auf die Krim wird mit den Forschungen des Mathematikers Anatoli Formenko begründet, der an der Lomonossow-Universität in Moskau in einem eigenen Institut Hunderte Computerwissenschaftler, Historiker, Linguisten, Geologen und Archäologen um sich geschart hat. Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu:

„Was Sie beweisen möchten, mit neuesten Methoden und uralten Mythen, ist nichts anderes, als dass tausend Jahre Weltgeschichte im Rahmen des größten Betrugs aller Zeiten nicht einfach verfälscht, sondern schlicht erfunden wurden. Jesus sei in Wahrheit 1053 auf der Krim geboren worden, wo die Bibel auch spiele, ehe sie nach Judäa und Galiläa verlegt wurde. Auf der Krim war es, dass nicht nur das Christentum, sondern das Abendland selbst erfunden und die Weltzivilisation von der russischen Kultur angestoßen wurde. Erst im Lichte dieser Erkenntnis versteht man so recht, warum Russland die Krim, von der alles ausging, unbedingt zurückhaben wollte“. (Gauß, Karl-Markus: Jesus aß Gulasch beim letzten Abendmahl, Süddeutsche Zeitung, 2.5.2019).

Nimmt frau hinzu, dass es im Oktober 2018 zu einer Trennung der russisch-orthodoxen Kirche vom orthodoxen Patriarchen von Istanbul (Konstantinopel) kam, weil dieser die Gründung einer eigenständigen orthodoxen Kirche der Ukarine unterstützt hatte, was de facto eine Aufspaltung der orthodoxen Kirche ist, wird deutlich, dass der heutige Ukrainekrieg eine wesentliche theologische Komponente hat, was dem Krieg, wie allen Kreuzzügen eine fanatische Komponente verleiht, die bisher in der politischen Diskussion völlig außer Acht gelassen wird, die Gefährlichkeit dieses Krieges aber potenziert.

Ins weitere Blickfeld gerät dabei auch die geopolitische und geographische Achse nach Serbien, mit dem putinfreundlichen Ungarn als Pufferstaat, denn auch in Serbien finden wir die orthodoxe Form des Christentums. Soll auch diese – nach der Ukraine – wieder eingegliedert werden in die russische Orthodoxie, heim ins großrussische Reich des heutigen Zaren Putin? Und sind wir bei der politischen Einschätzung des Ukrainekriegs auf deren theologisch-fanatischer Komponente in Form eines groß angelegten orthodoxen Kreuzzugs mental vorbereitet. Ich fürchte nicht. Ich halte es aber für sinnvoll, diesen theologischen Machtaspekt im Blick zu haben, denn im Namen eines männlichen Gottes werden ideologisch die erbittersten und skrupellosesten Kämpfe geführt, denn die Belohnung wartet ja dann im Himmel, nicht auf Erden.