Patriarchatskritische Betrachtungen zu den Wagenknecht-Schwarzer-AFD -Waffenstillstand-Friedensutopien

Karte: Die Besatzungszonen in Frankreich im Zweiten Weltkrieg ab Juni 1940; CC BY-SA 4.0

Seit der sogenannten Friedensmanifest-Wagenknecht-Schwarzer-Petition und der darauf folgenden „Friedensdemonstration“ letzten Samstag in Berlin, der sich auch rechtsnationale Kräfte begeistert anschlossen, kommt mir die Karte des besetzten Frankreichs während des Zweiten Weltkriegs immer wieder in den Sinn.

Ich möchte vorausschicken, dass ich mich, nachdem ich mich jahrelang als Hauptvertreterin der IPKF, der Interdisziplinären Patriarchatskritikforschung, in meinen Veröffentlichungen mit den grundlegenden Kriegsstrukturen des Patriarchats und deren Entstehung beschäftigt hatte, die letzten zwei Jahre verstärkt einerseits mit den Verwüstungen während des Zweiten Weltkriegs durch den diktatorischen Hitler-Faschismus, insbesondere in Frankreich, aber auch mit dem ebenfalls diktatorischen Stalinismus beschäftigt habe. Dazu gehörte das Lesen von Fachliteratur, zwei Reisen in die Bretagne und die Normandie und nach Verdun, wo bis heute überall die Verheerungsspuren der zwei Weltkriege in der Landschaft zu finden sind, aber auch der aus Frauensicht geschriebene sehr empfehlenswerte Roman „Die Nachtigall“ über die Geschichte zweier Schwestern im besetzten Frankreich von der Autorin Kristin Hannah. Da ich eine Schwiegertochter aus Georgien habe, begann ich aber auch, mich mit der Rolle des aus Georgien stammenden Diktators Stalin sowie dessen, ebenfalls aus Georgien stammenden Geheimdienstchefs Berija zu beschäftigen, inspiriert durch das Buch „Das achte Leben“ der georgischen Schriftstellerin Nino Haratischwili. Ebenso las ich aber auch Bücher der estnisch-finnischen Schriftstellerin Sofi Oksanen. Alle drei von mir erwähnten Schriftstellerinnen verwenden ihren Blick insbesondere auf Frauenschicksale, was ich für ausgesprochen wichtig halte, da ich immer wieder erlebe, dass viele Frauen sich gar nicht für Geschichte interessieren, weil Geschichte immer als History vermittelt wird, als unendliche Aneinanderreihung männlichen Heldentums.

Nun aber zurück zum zweiten Weltkrieg und zur oberen Karte. Der Zweite Weltkrieg dauerte von 1939 bis 1945, also 6 Jahre und er begann mit dem Angriff Deutschlands auf Polen am 1. September 1939. Die Westmächte verfolgten zu dem Zeitpunkt eine sogenannte Appeasement-Politik gegenüber Hitler, die aber in Diktaturen, die strukturell immer auf einem höchst toxischen Herrschaftsmacht-Männlichkeitsbild beruhen, häufig gestützt durch eine ebenfalls männlich beherrschte Theologie, nicht ernst genommen wird. Das Ultimatum seitens Großbritanniens und Frankreich verstrich, woraufhin beide Länder Deutschland den Krieg erklärten, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt groß militärisch einzugreifen. Am 17. September brach der polnische Staat zusammen. Sich beziehend auf geheime Zusatzprotokolle des deutsch-sowjetischen Nichtangriffpakts, dem sogenannten Hitler-Stalin-Pakt griff Stalin Ostpolen an, so dass bereits am 6. Oktober der sogenannte Polenfeldzug beendet war mit 120 000 Toten seitens der polnischen Armee und 917 000 polnischen Kriegsgefangenen. (www.lpb-bw.de: Beginn des Zweiten Weltkriegs). Doch es geht weiter:

Im April 1940 landet die deutsche Wehrmacht in den neutralen Staaten Dänemark und Norwegen. Am 10. Mai überfällt die Wehrmacht die ebenfalls neutralen Staaten Niederlande, Belgien, Luxemburg. Und es geht weiter nach Frankreich. Dort umgehen die Deutschen die sogenannte Maginotlinie, eine Defensivbarrikade an Bunkern entlang der französischen Grenze, welche die Franzosen von 1930 bis 1940 gebaut hatten, um sich vor Angriffen zu schützen und überwinden die Ardennen. Die zweite Defensivlinie, die sogenannte Weygandlinie kann den Angriffen der Wehrmacht ebenfalls nicht standhalten und bereits im Juni 1940 stehen die Deutschen vor Paris. In Frankreich kommt es zu einer Regierungsumbildung, im Zuge dessen Marschall Philippe Pétain, der in Frankreich noch aus dem Ersten Weltkrieg berühmt war als Held von Verdun,, Premierminister wird. Pétain hält weiteren Widerstand für aussichtslos und bittet um Waffenstillstandsverhandlungen. Im Zuge des Waffenstillstandsabkommens in Compiègne wird Frankreich, wie in der obigen Karte dargestellt, aufgeteilt. Der Norden gerät unter deutsche Besatzung, der Süden, rund 40 Prozent der Fläche Frankreichs wird zum sogenannten État francais mit einer neuen Verfassung, die nicht mehr unter den laizistischen französischen Freiheitsbegriffen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit steht, sondern unter den rechtsnationalen Werten: Arbeit, Familie, Vaterland mit einem verstärkten Einfluss der katholischen Kirche. Pétain wird Chef des neuen État francais. Vichy wird der Regierungssitz des neuen Staatsgebildes. Das sogenannte Vichy-Regime ist entstanden.

Nun unterstelle ich mal, dass ein Marschall, der die Grauen des Ersten Weltkriegs erlebt hat und sieht, dass die Wehrmacht militärisch so überlegen ist, dass er versuchte in Frankreich zu retten, was zu retten schien, doch im Nachhinein nützte dieser faule Waffenstillstand nichts. Heute steht das Vichy-Regime vor allem für Kollaboration mit den Nazis in dessen Zuge viele Juden in Konzentrationslager in Richtung Osten deportiert wurden und ebenfalls viele Zwangsarbeiter den Nazis überlassen wurden. Aber es nützte nichts. Bereits 1942 wird nun auch der Süden Frankreichs von den deutschen Nazis besetzt. (mehr dazu u.a. in Wikipedia: Vichy-Regime).

Das ist nur eine sehr verkürzte Darstellung. Was ich jedenfalls sagen will: Frieden erhielt Frankreich jedenfalls nicht durch einen Waffenstillstand unter den Vorgaben einer Hitler-Diktatur, sondern erst durch ein Zusammenwirken der Résistancebewegung, der politischen Exilbewegung von Charles de Gaulle und durch ein entschlossenes Eingreifen der Alliierten.

Nun kann frau natürlich argumentieren, dass zu den Alliierten auch die Sowjetunion gehörte. Ja, das ist absolut der Fall. Auch, dass die Sowjetunion einen ungeheuren Blutzoll mit 27 Millionen Toten zahlte in diesem Krieg. Immer wieder empfinde ich eine ungeheure Last als Angehörige eines Landes, das soviel Leid und Traumata in der Welt verursacht hat und dem müssen wir uns als Deutsche auch immer wieder stellen, nicht nur in Bezug auf den Holocaust an jüdischen Menschen, sondern auch in Bezug auf die vielen Kriegsopfer der Soldaten und der Zivilisten insgesamt. Aber wir können bei dieser Schuldfrage nicht stehen bleiben, sondern müssen den Blick weiten auf patriarchale Gewaltstrukturen in Diktaturen per se. Und da richtet sich der Blick auf Stalin.

Nino Haratischwili weist in einem Interview mit der taz vom 25.2.2023 unter dem Titel „Eine patriarchale gewalttätige Zeit“ auf die falsche Debatte über den Zweiten Weltkrieg hin. Sie sagt in dem Interview:

„Das Problem ist immer noch, dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts meist aus westlicher Perspektive erzählt wird. … Und das ist nicht nur die Schuld des Westens, das ist auch unsere Schuld. Weil wir als Stimmen aus dem Osten diese Aufgabe auf globaler Ebene nicht geleistet haben. Man scheitert schon bei der Debatte über den Zweiten Weltkrieg“. (https://taz.de/Georgische-Autorin-ueber-Sowjetunion/!5915231/)

Auf Nachfrage präzisiert sie:

„Mich stört in Deutschland die linke Debatte. Jedes Kind weiß hierzulande, dass Hitler das Böse war. Stalin war genauso ein Diktator wie Hitler und hat Millionen Menschen umgebracht. Das erklärt vieles, warum der Westen Russland zumindest in den letzten 20 Jahren so falsch eingeschätzt hat oder einschätzen wollte. Man muss über den Sowjetsozialismus genauso kritisch reden, wie über den Nationalsozialismus. (dito)

Im weiteren Interview fordert Haratischwili dazu auf, mit dem sogenannten „Westplaining“ aufzuhören. Sie bezieht sich dabei auf ein Interview des bekannten polnischen Autors Szczepan Twardoch in der NZZ vom letzten Jahr.

Haratischwili erläutert in dem Interview mit der taz den Begriff „Westplaining“ weiter:

„Abgeleitet vom feministischen Begriff „Mansplaining“ beschreibt dieser Begriff das Problem, dass der Westen uns erklärt und belehrt, wie wir unsere Geschichte zu sehen haben. Ich schließe mich seinem Appell an. Er spricht mir aus dem Herzen. Hört auf die Stimmen aus den Ländern, die bereits bittere Erfahrungen mit Russland gemacht haben“. (dito)

Der Beitrag Twardochs aus der NZZ vom 6.4.2022 beginnt mit den Worten:

„Liebe westeuropäische Intellektuelle: Ihr habt keine Ahnung von Russland“

Der Artikel von Twardoch enthält viele Gedanken, die wir uns zu Gemüte führen sollten, wir, die wir das Glück haben, nicht mehr in einer Diktatur zu leben, weil wir von den Alliierten unter höchstem Einsatz von ihr befreit wurden.

https://www.nzz.ch/feuilleton/ukraine-krieg-schluss-mit-westsplaining-ld.1676881

Der Waffenstillstand, den die Franzosen damals im Zweiten Weltkrieg mit der deutschen Nazi-Dikatatur geschlossen haben, und der ihnen letztendlich nichts genützt hat, sollte uns ebenfalls zu Denken geben, wenn wir auf einem Podium eine lachende Feministin sehen, die nach eigener Aussage, am liebsten tanzen möchte angesichts einer Demo, wo auch viele Rechtsnationale teilgenommen haben. Westplaining vom Feinsten und das Vichy-Regime lässt grüßen!

Alice im Wonderland

Als interdisziplinäre Patriarchatskritikerin mit herstorischem Durchblick kann frau sich dieser Tage nur noch wundern angesichts der kruden Verbindung zwischen Feminismus und Pazifismus, die Alice Schwarzer, die am meisten hochgejubelte Feministin im deutschsprachigen Raum, gerade verschwurbelt. Da möchte frau doch auf gar keinen Fall mehr „Feministin“ sein. Zum Glück bin ich ja schon länger Patriarchatskritikerin und keine „Feministin“ mehr, sonst würde ich derzeit vor Scham im Boden versinken!

Zu diesem feministischen Pazifismus Geschwurbel fällt mir nur das Lied „Dona nobis pacem“ ein. Gib uns Frieden – HERR! Denn der HERR ist der Ansprechpartner dieses Ausrufs. Dass der HERR jemals Frieden bringen kann, oder in der Vergangenheit jemals Frieden gebracht hat, das ist ja der irregeleitete Glaube des Patriarchats, der verschleiert, dass eben dieser angebliche Friedensfürst immer der KRIEGSHERR schlechthin ist. Und dieser Kriegsfürst will keinen Frieden, sondern Macht. Herrschaftsmacht. Und Blut ist die Währung mit der Herrschaft immer bezahlt wird. Nicht das einst heilige Menstruationsblut, das ohne Verletzung fließt, sondern das Blut aufgrund von Gewalt. Blutrausch. Unterwerfungsrausch. Todesrausch. Angst! Die Drogen, der im Patriarchat hochgezüchteten Toxischen Männlichkeit!

Eigentlich sind diese Mechanismen und Zusammenhänge ja hinlänglich bekannt. Umso verwunderlicher, dass sich eine Feministin zu dieser unsäglichen Opfer-Täter-Umkehr verleiten lässt und damit – selbst mit dem Hintern am warmen Meinungsfreiheitsofen sitzend – alle Menschen verrät, die ihr Leben nicht unter dem despotischen Herrschaftssystem eines KRIEGSHERRN PUTIN und seinen blutrünstigen Schergen verbringen wollen. Widerstand gegen ein solches System sollte doch der Sinn und Zweck von Feminismus sein, statt Kuscheln mit den Tätern!

Shame on you Alice und Sahra!

Und danke an Luisa Francia, die es in ihrem Tagebucheintrag „Luisa in Erstaunen“ vom 17.02.2023 auf den eigentlichen feministischen Punkt gebracht hat, nachzulesen unter: http://www.salamandra.de